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 So, 23. Sep 2012 um 10:20 MESZ von Josef

Fanatismus






Fanatismus

Religion, Spiritualität und Glauben sind seit Jahrhunderten brisante Konfliktfelder. Es gibt wohl keinen anderen Lebensbereich, der so viele Emotionen zu wecken vermag. Und es gibt keine stärkere menschliche Energie als den religiösen Wahn. Und leider ist die Grenze zwischen gesunder Spiritualität und wahnhafter Besessenheit fliessend, der Grat oft schmal.

In keinem andern Lebensbereich sind wir anfälliger, gerät das seelische Gleichgewicht so schnell ins Wanken. Immerhin geht es um die Frage nach dem Sein, dem Lebensinhalt, der Transzendenz, der Metaphysik, also der Zukunft schlechthin.

Zu allem Elend kommt hinzu, dass es in Glaubensfragen keine Kompromisse gibt. Entweder ist eine Heilskonzept wahr – oder kreuzfalsch. Entweder ist ein Prophet der Gesandte Gottes – oder ein Scharlatan. Entweder beten wir den richtigen Gott an – oder eben ein Phantom.

Ausserdem enthält der Absolutheitsanspruch weiteres Konfliktpotenzial. In allen anderen Lebensbereichen sind wir auf Kompromisse, Verhandlungen, Diskurse angewiesen. Seelisches Wohl gibt es sonst nur bei Ausgleich, Toleranz, Verständnis, Kompromissbereitschaft.

Als weitere Krux kommt der Missionsdrang hinzu. Es liegt im Wesen von Religionsgemeinschaften, ihre religiöse „Wahrheit“ – über eine Million Glaubensgemeinschaften erheben den Anspruch darauf – der ganzen Menschheit angedeihen zu lassen. Der angebliche Missionsauftrag führte schon zu unzähligen Kriegen und internationalen Konflikten. Hunderttausende mussten deswegen ihr Leben lassen. Der aktuelle Fundamentalismus – von den Islamisten bis zu den christlichen Fundis – ist Ausdruck davon. Führte im letzten Jahrhundert der ideologische Streit zwischen Kapitalismus und Kommunismus zu den grössten internationalen Spannungen, birgt heute der Konflikt zwischen der westlichen und der arabisch-islamischen Welt das grösste Gefahrenpotenzial. Die internationalen Spannungen enthalten heute also ein starkes religiöses Moment. Und wenn religiöse Aspekte in der Politik eine wichtige Rolle spielen, wird es noch ungemütlicher.

Der Absolutheitsanspruch in Glaubensfragen belastet das menschliche Bewusstsein stark. Deshalb ist die Gefahr der Manipulation, Radikalisierung und Fanatisierung sehr gross. Und deshalb sind Diskussionen, wie sie in diesem Blog geführt werden, sehr wichtig. Nur durch Diskurse und Erkenntnisse werden die Gefahren der religiösen Verblendung bewusst. Nur so wird den religiösen Eiferern vielleicht klar, dass es besonders in religiösen Fragen Toleranz braucht, um ein Zusammenleben menschlich gestalten zu können. Wenn ich beispielsweise an die islamistischen Hassprediger denke, wünschte ich mir manchmal, man könnte das Missionieren grundsätzlich verbieten. Obwohl ich eigentlich Verbote gar nicht schätze…

hugostamm am Sonntag den 4. Juni 2006